Wer sucht, der findet!!
Wer sucht, der
findet: Viele Urlauber nutzen kostbare Ferienzeit dazu, nach Mängeln und
kleinen Schäden im Hotel zu fahnden - um nachher eine Preisminderung einzufordern.
Im Interview erklärt Tourismus-Profi Karl Born, was die deutsche Meckerkultur
so einzigartig macht.
Spiegel Interview.
Das Interview
führte Stephan Orth - es handelt sich dabei um einen
Auszug aus dem
Buch "Sorry, Ihr Hotel ist abgebrannt", erschienen im Ullstein-Verlag.
SPIEGEL ONLINE:
Herr Born, in einem Vortrag haben Sie mal gesagt: "Die Beschwerde gehört
zum Urlaub wie der Eiffelturm zu Paris und das Hofbräuhaus zu München."
Sind die Deutschen nicht nur Reise-, sondern auch Beschwerdeweltmeister?
Born: Die
Beschwerdekultur ist in anderen Ländern offensichtlich nicht so extrem ausgeprägt wie
bei uns, vor allem wenn man sieht, worüber die Leute sich beklagen. Da gibt es
eine enorme Bandbreite von berechtigten Klagen bis hin zu Lächerlichkeiten. Der
Anteil der lächerlichen Beschwerden ist bei den Deutschen überproportional.
SPIEGEL ONLINE:
Haben Sie diese Erfahrung auch als TUI-Chef gemacht?
Born: Eine
Hoteldirektorin aus Teneriffa hat mir erzählt, dass es Urlauber aus anderen
Ländern oft eleganter anstellen, wenn sie an ein besseres Zimmer kommen wollen.
Sie sagte, dass Italiener der Mitarbeiterin Komplimente machen und sie
anstrahlen, während Schweizer häufig gesundheitliche Probleme als Vorwand
nennen. Deutsche dagegen kommen mit der
Brechstange und sagen: "Wenn Sie das jetzt nicht ändern, dann verklage ich
Sie."
SPIEGEL ONLINE:
Und wer hat am meisten Erfolg?
Born: Da liegt
dann Italien vor der Schweiz, und erst am Schluss wird das Problem des
Deutschen bearbeitet - hat die Kollegin erzählt.
SPIEGEL ONLINE:
Vielleicht wissen die Deutschen einfach zu gut über ihre Rechte Bescheid. Born:
Kann sein. Das Schlimmste ist die berühmte "Frankfurter Tabelle"...
SPIEGEL ONLINE:
...eine Auflistung von Prozentsätzen, die für einzeln Reisemängel
möglicherweise erstattet werden können.
Born: Genau.
Viele sind davon überzeugt, diese Tabelle sei geltendes Recht, sie ist
allerdings nur eine Orientierungshilfe für die Gerichte. Die "Bild"
druckt sie jedes Jahr, diese Zeitungsseite nehmen die Leute dann mit in den
Urlaub. Reiseleiter sind inzwischen schon darauf trainiert, solchen
Rechenkünstlern ein wenig den Wind aus den Segeln zu nehmen. Denn die Touristen
nehmen fälschlicherweise an, man könne die
einzelnen Werte
addieren.
SPIEGEL ONLINE :
Da würden ganz hübsche Summen herauskommen:
Wenn die Fläche
des Hotelzimmers zu klein ist, ich einen Riss in der Wand entdecke, der Wechsel
der Wäsche mal nicht klappt und mein Tisch im Speiseraum nicht sauber ist, komme
ich zusammengerechnet schon auf 50 Prozent Preisminderung pro Tag.
Born: Genau - und
wenn ich schon bei so einem Wert bin, entwickelt sich sportlicher Ehrgeiz, auf
100 Prozent zu kommen. Aber das sind dann wirklich die absoluten
Hardcore-Beschwerer, deutlich weniger als ein Prozent der Reisenden machen das.
Und eigentlich sind das arme Schweine, weil sie sich damit den Urlaub
verderben.
SPIEGEL ONLINE:
Aus Veranstaltersicht ist es allerdings ein Problem, wenn notorische Nörgler im
Freundeskreis ständig von ihren Negativerfahrungen berichten.
Born: Das ist
eines der ganz großen Gesprächsthemen, wenn Sie auf einer Party sind: Einer
fängt an, über seinen Urlaub mit der TUI zu erzählen, wo alles Käse war, und
jeder hat dann eine ähnliche Gruselgeschichte beizutragen. Diesen Effekt gibt
es nur bei zwei Themen: Urlaubs- und Autopannen.
SPIEGEL ONLINE:
Geben Sie mir mal einen Tipp - wie muss meine Beschwerde aussehen, damit ich
bei der TUI auf jeden Fall zehn Prozent kriege?
Born: Ein
gewisser Wahrheitsgehalt sollte schon drin sein. Die TUI ist ein schwieriger
Gegner, denn da sitzen auf der anderen Seite Profis. Die haben schon Tausende
Beschwerden abgearbeitet - daher ist es relativ unwahrscheinlich, dass Sie mit
einem kreativen Geistesblitz ohne gute Belege eine Reisepreisminderung kriegen.
Aber nehmen wir mal an, Sie haben Bagger und Baulärm vor dem Fenster. Machen
Sie ein paar Fotos und schicken Sie noch die Unterschriften von zwei anderen
Reisenden mit, die Sie auch zu einer Beschwerde ermuntern - so kommen Sie schon
zu Geld. Ob es immer für zehn Prozent reicht, weiß ich nicht. Wichtig ist, dass
man Mängel immer sehr präzise belegt.
SPIEGEL ONLINE:
Gegen die TUI hat ein Kunde einen Prozess gewonnen, weil ihm die angekündigte
Abenteuerreise zu normal war und nie Lebensgefahr bestanden habe - stimmt da
was mit dem deutschen Reiserecht nicht?
Born: Der Mann
hat tatsächlich vor Gericht argumentiert, er sei nie in Lebensgefahr gewesen.
Aber Geld hat er nicht deshalb bekommen. Er gewann den Prozess, weil ein bestimmter
Teil der Reise, der ziemlich abenteuerlich und aufregend sein sollte, nicht
erbracht wurde.
SPIEGEL ONLINE:
Gab es Urlauberbeschwerden, die Sie nie vergessen werden?
Born: Einmal hat
ein Tourist versucht, in Westafrika ein Krokodil zu streicheln. Das hat dann
nach ihm geschnappt, ihn aber zum Glück nicht verletzt. Der Mann meinte, man hätte ihn ausdrücklich davor warnen müssen. Er ging sogar vor Gericht damit,
aber der Richter hat das in fünf Minuten niedergebügelt: Es sei Allgemeinwissen,
dass man ein Krokodil nicht streichelt, da brauche er jetzt keinen
Sachverständigen. Ein anderer hatte schon im Vorjahr eine Beschwerde
eingereicht und aus Kulanz zehn Prozent erhalten, jetzt wollte er 20 Prozent
wegen der gestiegenen Kosten. Ich überlege in solchen Fällen immer: Spinnt der
tatsächlich, oder erlaubt er sich einen Scherz?
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