Sonntag, 27. Januar 2013

Segeltörn durchs letzte Paradies



Segeltörn durchs letzte Paradies - British Virgin Islands  

 

 







Weiße Strände, Flamingos und Reggae-Musik: Auf den 60 kleinen British Virgin Islands in der nördlichen Karibik dürfen Cocktails auch mit nassen Dollar-Scheinen aus der Bikinischleife bezahlt werden.
Captain Debbie nimmt Kurs auf die White Sands Bay. Neulich
hat sie hier vor der Insel Jost Van Dyke einen 50-Dollar-Schein
verloren, als sie von ihrem Liegeplatz an Land geschwommen ist.

Das Geld war in die Schleife ihres Bikini-Oberteils eingebunden.
Ein festes Ritual unter Seglern, die damit der Soggy Dollar Bar huldigen, wo es zum guten Ton gehört, Cocktails mit nassen Dollar-Scheinen zu bezahlen.



Geldscheine zum Trocknen auf die Leine


Zur allgemeinen Belustigung hängt der Barmann die Noten an
einer Leine auf, ehe er frische Muskatnuss über die Mixgetränke
reibt und die Gäste sich unter den Palmen ausbreiten. Dort
erzählt Debbie, dass sie auf der Suche nach ihrem 50er noch
einen Tauchgang gemacht hat. Gefunden aber hat sie zwischen
den Papageifischen nur einen 1-Dollar-Schein. Das Meer sei
eben geizig mit Wechselgeld.





In 400 Schritten um die Insel


Zurück an Bord ihres Katamarans verrät die passionierte
Seglerin, dass es auf den British Virgin Islands auch ganz anders
geht. Nach wenigen Seemeilen sehen wir, was die Frau aus
Louisville, Kentucky, meint. Vor uns liegt Sandy Spit – eine Insel,
wie sie in der Fantasie eines jeden Karibik-Urlaubers
allgegenwärtig ist, die aber in der Realität nur selten vorkommt:
Sie ist rundum von Sandstrand gesäumt. Sie erhebt sich aus
türkisfarbenem Wasser. Zu ihrer Umrundung sind nur 400
Schritte erforderlich. Und bewohnt wird sie vor allem von
Seeschwalben und Fregattvögeln.







 Gegrillter Mahi Mahi mit Mango-Chutney


Weniger abgeschieden ist die Cane Garden Bay auf der
Hauptinsel Tortola. Direkt hinter den Stränden erheben sich
bewaldete Hügellandschaften, die von fürstlichen Anwesen
durchsetzt sind. Einen Landgang ist allein der gegrillte Mahi
Mahi in Quito´s Restaurant wert: Die Goldmakrele wird auf einer
offenen Veranda mit Mango-Chutney und Meeresblick serviert.

Besonders begehrt sind die Hafenbojen Ende Mai, wenn in der
Bucht das Virgin Islands Music Festival steigt. Besucher können
sich Calypso- und Reggae-Bands ansehen, während sie mit den
Füßen im Wasser stehen. Segler haben zudem die Option, die
Musik vom Strand herüberschwappen zu lassen – und an Deck
die tropische Nacht zu genießen.

Während ihre sieben Passagiere noch in den Kabinen schlafen,
löst Debbie am nächsten Morgen die Taue, um nach einer kurzen
Fahrt durch den Hafen das Hauptsegel zu setzen. Auch 30
Jahre, nachdem sie ihre Heimat verlassen hat, wird die 55-jährige
Skipperin immer noch von Glücksgefühlen befallen, wenn sie
den Sir-Francis-Drake-Kanal erreicht. Mit diesem Namen wird der
Wasserkorridor bezeichnet, den die Inselgruppe bildet. Nur
wenige Kilometer breit, macht ihn seine geschützte Lage zu
einem der beliebtesten Segelreviere der Karibik. Mit immer neuen
Eilanden, die angefahren werden können. 






Aber auch mit der Option auf sportliches Segeln abseits der geschützten Reviere.
Als Debbie einen nordöstlichen Kurs einschlägt, ahnen ihre
Mitsegler bereits, was sie meint: Wind und Wellengang nehmen
spürbar zu. Und wäre da nicht noch eine Insel, würde der
Katamaran auf Portugal zusegeln.
 












Flamingos im Wohnzimmer

Während sie auf ihrem Kapitänsstuhl steht, zeigt Debbie auf eine Wolke von auffallend länglicher Gestalt. „Die hängt fast immer
über Anegada. Früher haben sie die Seeleute zur Orientierung verwendet.“ Im Gegensatz zu den anderen Jungferninseln ist der Außenposten des Archipels nicht vulkanischen Ursprungs. Streng
genommen handelt es sich um kaum mehr als eine große Sandbank, die den Atlantik vom karibischen Meer trennt. Nur 210
Menschen leben hier, sie teilen sich ihren Lebensraum mit Flamingos und Meeresschildkröten.

Touristen finden den Weg hierhin selten, nur zweimal pro Woche
kommt eine Fähre aus Tortola. So bleibt die rund 18 Kilometer
lange und zwei Kilometer breite Insel Seglern vorbehalten.
Abends treffen sich Einheimische und Besucher im „Anegada
Reef“, einem simplen Hotel, das zugleich Mittelpunkt des
sozialen Lebens ist. Gemeinsam beobachten sie, wie über dem
offenen Feuer fangfrischer Lobster gegrillt wird, der anschließend direkt am Strand verzehrt wird.



Auf der Privatinsel von Richard Branson

Ungewohnte Aufregung entsteht am nächsten Tag, als Debbie
eine Person namens Donny anruft. Ob sie und ihre Gäste
willkommen seien, möchte sie wissen. Donny bejaht. Also
nehmen wir mit unserem Beiboot Kurs auf Necker Island.
Unbedarft erkunden wir den Strand, als sich ein Motorboot
nähert. „Sorry, das ist eine Privatinsel“, sagt der Mann am Ruder
entschlossen. Debbie widerspricht nicht. Der prominenteste Einwohner der British Virgin Islands, Sir Richard Branson, hat die Insel einst für kleines Geld gekauft. „Die Strände“, beharrt sie, „sind trotzdem öffentlich zugänglich“. Und Branson selbst lasse Neugierige nicht verscheuchen, solange diese ihren Aktionsradius darauf beschränken. Wenn er seine Insel jedoch an Film- oder Popstars vermiete, würden deren Bodyguards aktiv. Da könne auch Donny nichts ausrichten. Aber das sei ja egal. Schließlich gebe es
genügend andere exklusive Orte.






Letzte Anlaufstelle für Segler

Den Bitter End Yacht Club zum Beispiel, der sich am
Nordostzipfel von Virgin Gorda befindet. Wie Debbie erklärt,
haben seine Besitzer ihn in den 70er-Jahren als letzte
Anlaufstelle für Segler errichtet, die die Jungferninseln verlassen
müssen. Sei es in Richtung Sint Maarten, der nächstgelegenen
Karibikinsel größeren Ausmaßes, oder auch mit dem Ziel, den
Atlantik zu überqueren. Beides, so der Gedanke, sei eben bitter.
Eine zeitlose Diagnose.





 


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