Segeltörn durchs letzte Paradies - British Virgin Islands
Weiße Strände, Flamingos und Reggae-Musik: Auf den
60 kleinen British Virgin Islands in der nördlichen Karibik dürfen Cocktails
auch mit nassen Dollar-Scheinen aus der Bikinischleife bezahlt werden.
Captain Debbie nimmt Kurs auf die White Sands Bay.
Neulich
hat sie hier vor der Insel Jost Van Dyke einen
50-Dollar-Schein
verloren, als sie von ihrem Liegeplatz an Land
geschwommen ist.
Das Geld war in die Schleife ihres Bikini-Oberteils
eingebunden.
Ein festes Ritual unter Seglern, die damit der Soggy
Dollar Bar huldigen, wo es zum guten Ton gehört, Cocktails mit nassen Dollar-Scheinen zu bezahlen.
Geldscheine zum Trocknen auf die Leine
Zur allgemeinen Belustigung hängt der Barmann die
Noten an
einer Leine auf, ehe er frische Muskatnuss über die
Mixgetränke
reibt und die Gäste sich unter den Palmen
ausbreiten. Dort
erzählt Debbie, dass sie auf der Suche nach ihrem
50er noch
einen Tauchgang gemacht hat. Gefunden aber hat sie
zwischen
den Papageifischen nur einen 1-Dollar-Schein. Das
Meer sei
eben geizig mit Wechselgeld.
In 400 Schritten um die Insel
Zurück an Bord ihres Katamarans verrät die
passionierte
Seglerin, dass es auf den British Virgin Islands
auch ganz anders
geht. Nach wenigen Seemeilen sehen wir, was die Frau
aus
Louisville, Kentucky, meint. Vor uns liegt Sandy
Spit – eine Insel,
wie sie in der Fantasie eines jeden
Karibik-Urlaubers
allgegenwärtig ist, die aber in der Realität nur
selten vorkommt:
Sie ist rundum von Sandstrand gesäumt. Sie erhebt
sich aus
türkisfarbenem Wasser. Zu ihrer Umrundung sind nur
400
Schritte erforderlich. Und bewohnt wird sie vor
allem von
Seeschwalben und Fregattvögeln.
Gegrillter Mahi Mahi mit Mango-Chutney
Weniger abgeschieden ist die Cane Garden Bay auf der
Hauptinsel Tortola. Direkt hinter den Stränden
erheben sich
bewaldete Hügellandschaften, die von fürstlichen
Anwesen
durchsetzt sind. Einen Landgang ist allein der
gegrillte Mahi
Mahi in Quito´s Restaurant wert: Die Goldmakrele
wird auf einer
offenen Veranda mit Mango-Chutney und Meeresblick
serviert.
Besonders begehrt sind die Hafenbojen Ende Mai, wenn
in der
Bucht das Virgin Islands Music Festival steigt.
Besucher können
sich Calypso- und Reggae-Bands ansehen, während sie
mit den
Füßen im Wasser stehen. Segler haben zudem die
Option, die
Musik vom Strand herüberschwappen zu lassen – und an
Deck
die tropische Nacht zu genießen.
Während ihre sieben Passagiere noch in den Kabinen
schlafen,
löst Debbie am nächsten Morgen die Taue, um nach
einer kurzen
Fahrt durch den Hafen das Hauptsegel zu setzen. Auch
30
Jahre, nachdem sie ihre Heimat verlassen hat, wird
die 55-jährige
Skipperin immer noch von Glücksgefühlen befallen,
wenn sie
den Sir-Francis-Drake-Kanal erreicht. Mit diesem
Namen wird der
Wasserkorridor bezeichnet, den die Inselgruppe
bildet. Nur
wenige Kilometer breit, macht ihn seine geschützte
Lage zu
einem der beliebtesten Segelreviere der Karibik. Mit
immer neuen
Eilanden, die angefahren werden können.
Aber auch mit der Option auf sportliches Segeln
abseits der geschützten Reviere.
Als Debbie einen nordöstlichen Kurs einschlägt,
ahnen ihre
Mitsegler bereits, was sie meint: Wind und
Wellengang nehmen
spürbar zu. Und wäre da nicht noch eine Insel, würde
der
Katamaran auf Portugal zusegeln.
Flamingos
im Wohnzimmer
Während sie auf ihrem Kapitänsstuhl steht, zeigt
Debbie auf eine Wolke von auffallend länglicher Gestalt. „Die hängt fast immer
über Anegada. Früher haben sie die Seeleute zur
Orientierung verwendet.“ Im Gegensatz zu den anderen Jungferninseln ist der
Außenposten des Archipels nicht vulkanischen Ursprungs. Streng
genommen handelt es sich um kaum mehr als eine große
Sandbank, die den Atlantik vom karibischen Meer trennt. Nur 210
Menschen leben hier, sie teilen sich ihren Lebensraum
mit Flamingos und Meeresschildkröten.
Touristen finden den Weg hierhin selten, nur zweimal
pro Woche
kommt eine Fähre aus Tortola. So bleibt die rund 18 Kilometer
lange und zwei Kilometer breite Insel Seglern
vorbehalten.
Abends treffen sich Einheimische und Besucher im
„Anegada
Reef“, einem simplen Hotel, das zugleich Mittelpunkt
des
sozialen Lebens ist. Gemeinsam beobachten sie, wie
über dem
offenen Feuer fangfrischer Lobster gegrillt wird,
der anschließend direkt am Strand verzehrt wird.
Auf der Privatinsel von Richard Branson
Ungewohnte Aufregung entsteht am nächsten Tag, als
Debbie
eine Person namens Donny anruft. Ob sie und ihre
Gäste
willkommen seien, möchte sie wissen. Donny bejaht.
Also
nehmen wir mit unserem Beiboot Kurs auf Necker
Island.
Unbedarft erkunden wir den Strand, als sich ein
Motorboot
nähert. „Sorry, das ist eine Privatinsel“, sagt der
Mann am Ruder
entschlossen. Debbie widerspricht nicht. Der
prominenteste Einwohner der British Virgin Islands, Sir Richard Branson, hat die
Insel einst für kleines Geld gekauft. „Die Strände“, beharrt sie, „sind
trotzdem öffentlich zugänglich“. Und Branson selbst lasse Neugierige nicht
verscheuchen, solange diese ihren Aktionsradius darauf beschränken. Wenn er
seine Insel jedoch an Film- oder Popstars vermiete, würden deren Bodyguards
aktiv. Da könne auch Donny nichts ausrichten. Aber das sei ja egal. Schließlich
gebe es
genügend andere exklusive Orte.
Letzte Anlaufstelle für Segler
Den Bitter End Yacht Club zum Beispiel, der sich am
Nordostzipfel von Virgin Gorda befindet. Wie Debbie
erklärt,
haben seine Besitzer ihn in den 70er-Jahren als
letzte
Anlaufstelle für Segler errichtet, die die
Jungferninseln verlassen
müssen. Sei es in Richtung Sint Maarten, der
nächstgelegenen
Karibikinsel größeren Ausmaßes, oder auch mit dem
Ziel, den
Atlantik zu überqueren. Beides, so der Gedanke, sei
eben bitter.
Eine zeitlose Diagnose.
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