Freitag, 1. März 2013

Disney-Kreuzfahrten

Entenhausen in der Karibik

 

 

Die ultimative Kinder-Bespaßung, tagelang: Das verspricht eine Kreuzfahrt auf Disney-Schiffen jungen Familien. Piratenpartys, Eiscreme-Pediküre und eine Riesenrutsche gehören dazu - und eine maximal unnatürliche Umgebung selbst beim Insel-Zwischenstopp.








Port Canaveral - Als die Raumschiff-Startrampen von Cape Canaveral an der Reling vorbeiziehen, watscheln Micky, Donald und Goofy auf die Bühne. Sie hopsen mit Minni und Daisy zwischen jungen Tänzern herum, und alle singen "Sailing away". Vor ihnen wippen, fotografieren und filmen mehr als 3000 amerikanische Mütter, Väter, Omas, Opas und Kinder, manche haben sich Mäuseohren in die Haare gesteckt.

 Das Schiffshorn trötet "A dream is a wish your heart makes", die Melodie aus dem Film "Cinderella". Es ist der Auftakt zu einer Bahamas-Kreuzfahrt mit der "Disney Dream". Vier Tage Entenhausen auf See.
Der Disney-Konzern begann im Jahr 1998, seine Themenparks aufs Meer zu bringen. Die "Disney Dream" ist das dritte von vier Schiffen der Disney Cruise Line, gebaut in der Meyer-Werft in Papenburg. "Alles, was wir machen, ist eine Show", sagt Clayton Lyndsey, der stets unfassbar gut gelaunte Unterhaltungschef des 340 Meter langen Riesenpotts. Und die beginnt bereits morgens, beim täglichen Ritual im Atrium.





 Unter dem Kristallleuchter, vor der Bronzestatue von Donald Duck als Admiral, stellen sich fünf junge Damen in wallenden Kleidern auf: Schneewittchen, Arielle, Belle, Tiana und Aurora, die Disney-Prinzessinnen. Hinter einem roten Absperrband warten Dutzende Familien darauf, sich mit ihnen fotografieren zu lassen. Wenn die Kinder an der Reihe sind, rennen sie auf die Prinzessinnen zu und umarmen sie. Die Schauspielerinnen lächeln artig und unterschreiben auf ihrer Seite in den rosa Autogrammbüchern, die die Eltern an Bord oder in einem der Themenparks gekauft haben. Ein Foto, dann ab zur nächsten Prinzessin.




Extremer Kontrast zur "Aida"-Zielgruppe
 
Die Figuren und Geschichten aus dem Disney-Universum sind auf dem Schiff allgegenwärtig. An den Wänden hängen Zeichnungen von Dumbo, Donald und Co., abends gibt es Musicals wie "The Golden Mickeys": Ein Ritt durch die Disney-Filmgeschichte, Tarzan und Arielle treten auf, der Glöckner von Notre-Dame und der König der Löwen. Natürlich ziehen die Disney-Schiffe damit deutlich jüngere Urlauber an als die meisten anderen. Das sieht man nicht erst, als die "Dream" im Hafen von Nassau neben einem der "Aida"-Schiffe anlegt.

"Wenn das Schiff ausgebucht ist, sind 1500 bis 1800 Kinder an Bord", sagt Taylor Jack. Die Kanadierin führt durch die diversen Clubs für den Nachwuchs. Kinder von drei Monaten bis zu drei Jahren werden in der Nursery betreut. Sie können spielen, in einem Ruhebereich schlafen und bekommen die Windeln gewechselt. Im Oceaneers Club toben sich die Drei- bis Zwölfjährigen aus. Sie hüpfen auf einem riesigen Monitor im Boden herum, klettern über den Dinosaurier aus dem Film "Toy Story", malen unter einem Plastikbaum oder spielen im gelben U-Boot am Computer.

Alle Kinder müssen hier Armbänder tragen, die einen Alarm auslösen, wenn eines den Bereich verlässt. Wenn die Eltern ein Kind abholen sollen, bekommen sie eine Textnachricht auf ihr Bordtelefon. Das Geschrei im Oceaneers Club ist ohrenbetäubend.







Teenie-Party ohne Eltern
 
Aber es geht noch lauter, versichert Jack: bei den 11- bis 14-Jährigen. "Deshalb sind sie ganz oben, wo sie niemanden stören können." Edge heißt ihr Bereich, in dem sie Videospiele auf Leinwand spielen und abends ohne Eltern feiern können. Für die 14- bis 17-Jährigen schließlich ist das weitläufige Vibe reserviert, gestaltet wie eine Lounge. Es gibt DJ-Unterricht, ein Kino und einen Minipool neben einer Tanzfläche im Freien. Und in ihrem eigenen Spa bekommen Jugendliche Chocolate body wraps oder Ice cream pedicure.

Am beliebtesten bei den Kindern - und manchen Eltern - ist aber die Aqua Duck, eine 233 Meter lange Wasserrutsche. Mindestens 20 Minuten steht man an, dann geht es in einem Gummiring sitzend rasant abwärts und in einer Kurve über die Reling hinaus, bevor man gemächlicher in der Glasröhre einmal um das mittlere Sonnendeck herumplätschert. "Meine drei Kinder lieben die Aqua Duck", sagt Jean-Marc Deonne aus Montreal. Er schätzt es, dass die Kreuzfahrt auf die Wünsche der Kinder zugeschnitten ist. "Aber dass ein Drittel des Sonnendecks für Erwachsene reserviert ist, ist verschwendeter Platz."

Tatsächlich geht es hinter den Plexiglaswänden mit den Ab-18-Schildern ruhig zu. Viele Liegen sind leer, im kleinen Pool ist immer Platz. Um wirklich zu schwimmen, muss man auf den nächsten Tag warten, wenn das Schiff am Castaway Cay festmacht.








Schnorcheln zu Schatztruhen
 
1984 wurde hier der Film "Splash" mit Tom Hanks und Daryl Hannah gedreht. Zwölf Jahre später kaufte der Disney-Konzern die Insel und ließ sie umbauen, den Bedürfnissen amerikanischer Urlauber angleichen. Lange Felsbarrieren wurden aufgeschüttet, um die Wellen abzuhalten. Es wurde ein Pier gebaut, an dem die Kreuzfahrtriesen anlegen können - und natürlich viele bunte Holzbuden, in denen man Schnorchel-Equipment oder Kajaks ausleihen oder Souvenirs und Postkarten mit der inseleigenen Briefmarke kaufen kann.

Im Meer wurden eine Micky-Staue und Schatztruhen versenkt, damit die Schnorchler etwas zu sehen haben. Und für die Kinder wurden zwei Pontons im Meer verankert, einer mit Klettergarten über dem Wasser, einer mit Rutsche. Ein Großteil der Insel blieb naturbelassen. Doch die Frage, ob man den Touristenbereich verlassen dürfe, verdutzt Pressesprecher Dave Coombs. Ja, aber warum sollte man? "Da draußen ist nur Wildnis."

Diese maximale Künstlichkeit kommt an. "Die Privatinseln anderer Reedereien waren nichts im Vergleich zu hier", sagt Rich Tansey, ein Rentner aus Florida, der schon auf zehn Kreuzfahrten war. Er ist allein mit seiner Frau hier, und er genießt die Kreuzfahrt. Und all die Kinder, der Trubel, der Lärm? "Es ist leicht, dem Tohuwabohu zu entkommen", sagt Tansey. "Wir gehen einfach in den Erwachsenenbereich."








Rückzugsräume für Ältere
 
Ein Drittel der Passagiere reise ohne Kinder, sagt Dave Coombs, der Sprecher. "Wir haben eine Zunahme von Honeymoonern und Großeltern, die für ihren Hochzeitstag kommen", erklärt Clayton, der Unterhaltungschef. Für sie haben die Planer großzügige Rückzugsräume reserviert. Zum Beispiel die Skyline-Bar. Sie soll den Luxus der Ozeandampfer vom Anfang des 20. Jahrhunderts simulieren.

Hinter dem schwarzen Marmortresen leuchtet das Panorama von Rio de Janeiro, Autos fahren auf dem Strandboulevard, Lichter blinken und spiegeln sich im Meer. Dazu säuselt brasilianische Musik durch das Halbdunkel. Nach einer Viertelstunde wechselt das Panorama, Rio wird zu Paris, Bossa Nova zu Chanson.

 Auch in die beiden Edelrestaurants werden nur Erwachsene eingelassen. Das Palo serviert norditalienische Küche, im Remy speisen die Gäste französische Haute cuisine. Dem Disney-Universum entflieht man aber auch hier nicht. Das Remy ist benannt nach dem Helden des Films "Ratatouille". Die kochende Ratte mit dem feinen Geschmackssinn ist als Silhouette in den Rückenlehnen der Stühle gefräst und sitzt auf einem Kronleuchter - als Figur aus Baccarat-Kristall, 65.000 Dollar teuer. Das Séparée kopiert gleich ganz das Feinschmecker-Restaurant Gusteau im Film, inklusive einer Parisansicht aus den Computern der Pixar-Animateure.







Der vorletzte Abend, Piratenparty. Im Animator's Palate, einem der drei Standardrestaurants, leuchten wechselnde Skizzen aus Disney-Piratenfilmen von den Wänden, die Filmmusik von "Fluch der Karibik" dröhnt durch den Saal. Die Kellner begrüßen mit einem "Harrrr", und die meisten Urlauber tragen Augenklappen, Säbel oder zumindest das rote Tuch um den Kopf, das in jedem Zimmer lag. Sie essen schnell, um rechtzeitig zu Party und Feuerwerk auf dem Pooldeck zu sein.

Captain Hook hat das Schiff gekapert, Clayton und die Offiziere zappeln geknebelt auf der Videowand. Nun müssen es Micky und Co. zurückerobern, durch Singen und Tanzen natürlich. Danach kämpft Jack Sparrow mit düsteren Piraten um einen goldenen Handschuh - bis schließlich die Raketen im Karibikhimmel explodieren. Die Show ist alles.


Florian Sanktjohanser/dpa/sto

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