Tiere als Katastrophenschützer
In Mittelamerika und der Karibik steht
die Hurrikan-Saison bevor. Weil technische Warnsysteme nicht immer
zuverlässig sind, statten Wissenschaftler Fregattvögel mit Sendern
aus. Das Experiment soll zeigen, ob die Luftakrobaten als
Wirbelsturm-Frühwarnsystem taugen.
Tiere können Naturgewalten oft früher
wahrnehmen als Mensch und Technik. So werden die Ziegen an den Hängen
des Ätna auf Sizilien manchmal schon nervös, bevor Messgeräte eine
starke vulkanische Aktivität aufzeichnen. Auf der Karibikinsel Isla
Contoy im mexikanischen Yucatán prüfen Wissenschaftler des
Max-Planck-Instituts für Ornithologie (Radolfzell/Baden-Württemberg)
nun, ob Fregattvögel vielleicht Wirbelstürme und ihren Verlauf
erspüren können.
Fregattvögel leben gern in tropischen Küstenkolonien und lassen sich leicht am Gabelschwanz und ihren langen schmalen Flügeln erkennen. Ihre winzigen Füße fast ohne Schwimmhäute und ein kaum gefettetes Gefieder lassen schon ahnen, dass Tauchen nicht zu ihren Leidenschaften gehört. Fregattvögel sind sozusagen Nichtschwimmer und alles andere als wasserfest.
Fregattvögel leben gern in tropischen Küstenkolonien und lassen sich leicht am Gabelschwanz und ihren langen schmalen Flügeln erkennen. Ihre winzigen Füße fast ohne Schwimmhäute und ein kaum gefettetes Gefieder lassen schon ahnen, dass Tauchen nicht zu ihren Leidenschaften gehört. Fregattvögel sind sozusagen Nichtschwimmer und alles andere als wasserfest.
Hochseevögel sind Luftakrobaten
Dafür sind Wissenschaften von anderen Qualitäten fasziniert: Fregattvögel sind wahre Luftakrobaten. Im rasanten Flug dicht über der Wasseroberfläche schnappen sie sich nicht nur fliegende Fische. Auch frisch geschlüpfte Meeresschildkröten am Strand oder Küken in Vogelkolonien sind vor ihren Luftangriffen nicht sicher. Artgenossen dürften Fregattvögel noch aus anderen Gründen kaum sonderlich sympathisch finden. Sie sind Piraten der Lüfte, die anderen Vögeln im Flug die frisch geangelte Beute abjagen. Daher sollen sie auch ihren Namen haben: Fregatten waren früher kleine Kriegsschiffe auf Überfall-Kurs.Ornithologen wollen nun den Umstand nutzen, dass diese Hochseevögel perfekte Flieger sind und einen Großteil ihres Lebens in der Luft verbringen. Wie verhalten sie sich, wenn ein Hurrikan herannaht? Bekommen sie davon früher Wind als eine Messstation? Was genau machen sie dann? Und kann der Mensch dieses Verhalten beobachten – und sozusagen als tierisches Frühwarnsystem nutzen? Es sind viele Fragen auf einmal.
Um die Fähigkeiten der Fregattvögel
zu testen, haben die Max-Planck-Forscher zusammen mit mexikanischen
Kollegen nun sieben Tieren auf der verlassenen Karibikinsel Contoy,
einem Naturschutz- und Vogelparadies, einen sogenannten Biologger
angeheftet. Gleich einer Blackbox beim Flugzeug zeichnet das Gerät
den Flug der Vögel über GPS und Satelliten auf. Jede Bewegung kann
so erfasst werden. Noch bevor die Regenzeit und damit die Saison der
Wirbelstürme im Mai/Juni beginnt, sollen weitere Fregattvögel mit
einem solchen Sender ausgestattet werden, damit auch ihr
Flugverhalten aufgezeichnet werden kann.
Verhalten prophezeit Verlauf von Hurrikans
„Damit wollen wir jetzt testen, ob
Fregattvögel wirklich voraussagen können, wann ein Hurrikan oder
ein anderes Naturereignis herannaht“, sagt Ornithologe Martin
Wikelski, Direktor der Abteilung Tierwanderungen am
Max-Planck-Institut. Denn Contoy wird ebenso wie die Nachbarinsel
Isla Mujeres regelmäßig von Wirbelstürmen heimgesucht. “Wir
denken und hoffen, dass die Tiere ein Naturphänomen und seinen
genauen Verlauf um Stunden oder sogar um Tage vorausahnen können“,
ergänzt der Wissenschaftler.
Das Gebiet für die „Testflüge“ scheint nahezu ideal. Isla Contoy ist ein rund 230 Hektar großer Nationalpark. Touristen dürfen hier nicht übernachten. Nur für Wissenschaftler gibt es einfache Quartiere zu Forschungszwecken.
Das Gebiet für die „Testflüge“ scheint nahezu ideal. Isla Contoy ist ein rund 230 Hektar großer Nationalpark. Touristen dürfen hier nicht übernachten. Nur für Wissenschaftler gibt es einfache Quartiere zu Forschungszwecken.
Abhängigkeit vom Wind
Fregattvögel sind nicht nur hervorragende Flieger, die können
auch große Entfernungen zurücklegen. „Wie alle Vögel mit großen
Flügeln, hängen sie ihr ganzes Leben von den Winden ab”, sagt
José Francisco Remolina, Direktor des Nationalparks Isla Contoy.
„Sie haben die besondere Fähigkeit, die Luftströmungen und
Temperaturen für ihren Flug auszunutzen und dabei möglichst wenig
Kraft aufzuwenden. Deshalb ist der Fregattvogel ein besonders guter
Indikator, wenn Wirbelstürme kommen.“
Mit Hilfe der Biologger wollen die Wissenschaftler nun verfolgen, wie sich die Fregattvögel bis in 2000 Meter Höhe tragen lassen. Außerdem erfassen sie ihre Geschwindigkeit und sie sehen, ob die Tiere mit ihren Flügeln schlagen oder nur im Wind gleiten. „Über die Datenbank Movebank können wir die Bewegungen der Vögel mit Umweltdaten verbinden und damit herausfinden, wie sich die Tiere in ihrer Umwelt entscheiden, bestimmte Dinge zu tun“, erläutert Vogelforscher Wikelski, der auch Professor für Ornithologie an der Universität Konstanz ist. „Wir können dann voraussagen, ab welcher Situation sie sich entscheiden, etwa in Richtung Golfküste zu fliegen. Vor allem aber wissen wir dann, um wie viel Zeit früher sie feststellen, dass es zu einem Naturereignis kommt.“
Mit Hilfe der Biologger wollen die Wissenschaftler nun verfolgen, wie sich die Fregattvögel bis in 2000 Meter Höhe tragen lassen. Außerdem erfassen sie ihre Geschwindigkeit und sie sehen, ob die Tiere mit ihren Flügeln schlagen oder nur im Wind gleiten. „Über die Datenbank Movebank können wir die Bewegungen der Vögel mit Umweltdaten verbinden und damit herausfinden, wie sich die Tiere in ihrer Umwelt entscheiden, bestimmte Dinge zu tun“, erläutert Vogelforscher Wikelski, der auch Professor für Ornithologie an der Universität Konstanz ist. „Wir können dann voraussagen, ab welcher Situation sie sich entscheiden, etwa in Richtung Golfküste zu fliegen. Vor allem aber wissen wir dann, um wie viel Zeit früher sie feststellen, dass es zu einem Naturereignis kommt.“
Mit Fregattvögeln, aber auch mit
anderen Tieren, wollen die Wissenschaftler ein zusätzliches globales
System des Sturm-und Katastrophenmonitorings schaffen. „Die Tiere
haben Millionen Jahre Evolution hinter sich und eine Sensorik, die
oft einfach besser ist als die von den Menschen geschaffene
technische Sensorik“, sagt Wikelksi.
Auch die Tourismusindustrie profitiert
Die Naturtalente der Fregattvögel
könnten nicht nur den Mexikanern nutzen. Von einem besseren
Frühwarnsystem könnte auch der Fremdenverkehr in Mexiko
profitieren, sagt der Vorsitzende des Vereins „Amigos de Contoy“,
der deutsche Honorarkonsul Rudolf Bittorf. „Das ist auch sehr
interessant und wichtig für die Tourismusindustrie. Das Projekt
verspricht ein größeres Maß an Sicherheit, weil die
wissenschaftlichen Messungen oft unzuverlässig sind.“ In der
mexikanischen Karibik werden nun also die Bewegungen der Fregattvögel
aufgezeichnet. Was machen sie, wenn ein Hurrikan naht? Wie weit
fliegen sie, um ihm auszuweichen?
Nationalpark-Direktor Remolina hält die vorläufigen Ergebnisse für erfolgversprechend. „Es ist fantastisch, denn nun wissen wir bereits, dass die Vögel nicht nur von der Isla Contoy stammen. Sie machen sehr weite Flüge entlang der Küsten der Halbinsel Yucatán bis in den Golf von Mexiko.“ Und Vogelforscher Wikelski ergänzt, dass Fregattvögel schon fast bis zu den Kaimaninseln geflogen sind – und die liegen auf dem halben Weg nach Jamaika.
Nationalpark-Direktor Remolina hält die vorläufigen Ergebnisse für erfolgversprechend. „Es ist fantastisch, denn nun wissen wir bereits, dass die Vögel nicht nur von der Isla Contoy stammen. Sie machen sehr weite Flüge entlang der Küsten der Halbinsel Yucatán bis in den Golf von Mexiko.“ Und Vogelforscher Wikelski ergänzt, dass Fregattvögel schon fast bis zu den Kaimaninseln geflogen sind – und die liegen auf dem halben Weg nach Jamaika.
Hurrikans lassen sich nicht bestellen
Allerdings können alle entscheidenden Fragen erst dann geklärt
werden, wenn wirklich ein Hurrikan kommt. Doch ob in diesem Jahr ein
Wirbelsturm die Isla Contoy heimsuchen wird, ist nicht gewiss. Es
ist alles vorbereitet und die Wissenschaftler warten ab. Es ist ein
Experiment mit offenem Ausgang. Auf Sizilien sind „tierische
Frühwarnsysteme“ schon nichts Besonderes mehr. Am Ätna haben
Wissenschaftler Ziegen mit Sendern ausgestattet, um ihr Verhalten
vor Explosionen und Ausbrüche des Vulkans zu studieren.
Nach Erkenntnissen der Forscher zeigen die Ziegen fünf bis sechs Stunden vor großen Vulkanereignissen auffällige Aktivitäten. „Wenn die Tiere nachts etwa Ausgasungen spüren, werden sie nervös und aktiv. Wir sehen das an den Beschleunigungen“, berichtet Forscher Wikelski. „Dann laufen sie aus Gegenden fort, in denen sie normalerweise sind. Und sie gehen dahin, wo in der Vergangenheit keine Lavaströme waren. Wenn sich alle Ziegen in Bewegung setzen, dann wissen wir: Es ist etwas passiert.“
Ab dem Jahr 2015 wollen Forscher sogar weltweit Tausende von Tieren mit dieser Sender-Methode beobachten – und zwar aus dem All. Dreh- und Angelpunkt soll dabei die Internationale Raumstation ISS werden. Das Vorhaben mit dem Namen Icarus (International Cooperation for Animal Research Using Space) wird von der Deutschen Agentur für Luft- und Raumfahrt, von der Europäischen Space Agentur und der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos gefördert.
Ein dramatisches Beispiel für die Forscher sind die jährlich etwa 20 Milliarden Zugvögel, von denen jedes Jahr rund die Hälfte stirbt – ohne dass Wissenschaftler ihr Schicksal voraussagen oder beobachten können. Bei ihren Projekten kommt der Forschung die technologische Innovation zugute. Die ersten Sender wogen noch mehrere Kilogramm – und konnten deshalb nur an entsprechend großen und schweren Tieren befestigt werden. Mittlerweile entstanden im Icarus-Projekt Kleinstsender, die nur noch wenige Gramm wiegen. Und in Zukunft werden sie vielleicht so klein und leicht sein, dass sie von Schmetterlingen getragen werden können.
Nach Erkenntnissen der Forscher zeigen die Ziegen fünf bis sechs Stunden vor großen Vulkanereignissen auffällige Aktivitäten. „Wenn die Tiere nachts etwa Ausgasungen spüren, werden sie nervös und aktiv. Wir sehen das an den Beschleunigungen“, berichtet Forscher Wikelski. „Dann laufen sie aus Gegenden fort, in denen sie normalerweise sind. Und sie gehen dahin, wo in der Vergangenheit keine Lavaströme waren. Wenn sich alle Ziegen in Bewegung setzen, dann wissen wir: Es ist etwas passiert.“
Ab dem Jahr 2015 wollen Forscher sogar weltweit Tausende von Tieren mit dieser Sender-Methode beobachten – und zwar aus dem All. Dreh- und Angelpunkt soll dabei die Internationale Raumstation ISS werden. Das Vorhaben mit dem Namen Icarus (International Cooperation for Animal Research Using Space) wird von der Deutschen Agentur für Luft- und Raumfahrt, von der Europäischen Space Agentur und der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos gefördert.
Forschung bis hin zum Schmetterling
Die Beobachtungen der Fregattvögel in der Karibik hat dann Pilotfunktion. Mit Icarus wollen die Wissenschaftler via ISS und GPS vielen Fragen auf den Grund gehen, vor denen sie bisher kapituliert haben. Es geht vor allem um die Routen der Tiere. Denn noch ist für die Wissenschaftler unklar, wie sie wegen kontinuierlicher Umweltveränderungen und menschlicher Eingriffe ihr Wanderungsverhalten ändern – oder ändern müssen, wenn sie nicht aussterben wollen.Ein dramatisches Beispiel für die Forscher sind die jährlich etwa 20 Milliarden Zugvögel, von denen jedes Jahr rund die Hälfte stirbt – ohne dass Wissenschaftler ihr Schicksal voraussagen oder beobachten können. Bei ihren Projekten kommt der Forschung die technologische Innovation zugute. Die ersten Sender wogen noch mehrere Kilogramm – und konnten deshalb nur an entsprechend großen und schweren Tieren befestigt werden. Mittlerweile entstanden im Icarus-Projekt Kleinstsender, die nur noch wenige Gramm wiegen. Und in Zukunft werden sie vielleicht so klein und leicht sein, dass sie von Schmetterlingen getragen werden können.
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